Zuletzt aktualisiert am 02.04.2024
In England wurden die Behandlungsleitlinien für Depressionen fundamental geändert. Das biochemische Modell kommt nicht mehr darin vor, es gibt eine Zusatzleitlinie für das richtige Reduzieren und Absetzen von Antidepressiva. In Deutschland ist die DGPPN »Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V.« für die Behandlungsleitlinien für Depressionen verantwortlich. Folgt die DGPPN dem Vorbild Englands und warum wurde das SSRI-Absetzsyndrom abgeschafft?
Dieser Beitrag ist chronologisch dargestellt, den neuesten Stand findest Du nach dem Hauptbeitrag.
Schreiben vom 13.11.2023 an die DGPPN mit Bitte um Stellungnahme an die DGPPN
bitte lesen Sie den folgenden Beitrag und die darin enthaltenen Links zu erklärenden Beiträgen sorgfältig, ich hätte gerne eine schriftliche Stellungnahme von Ihnen zu beiden Anliegen. Ich bin passives Mitglied in der »DGSP (Deutsche Gesellschaft für Soziale Psychiatrie)« sowie im »Bundesverband Burnout und Depression e. V.«.
Dieses Infoportal habe ich 2017 gegründet und es hatte seit dem mehr als 350.000 Seitenbesucher und über 1 Millionen Seitenaufrufe. Das ist einerseits erfreulich und andererseits traurig und beschämend, denn es bedeutet, das Betroffene, wie ich die Informationen und Hilfe über die körperliche Abhängigkeit und das richtige Reduzieren und Absetzen von Antidepressiva suchen, diese nicht dort finden, wo man erwarten würde sie zu finden:
auf Ihrer Website und in Ihren Broschüren.
Ich bin einer von vielen Betroffenen, die ihr SSRI/SNRI nicht mehr absetzen können und starke Entzugssymptome haben, nach zahlreichen gescheiterten Absetzversuchen.
Ich habe 2 Jahre in 2 Facebook-Absetzgruppen moderiert und beraten und traf dort auf großes Leid, Leid ausgelöst durch die Einnahme und/oder das Absetzen von Antidepressiva. Leid, das von Ihnen systematisch geleugnet wird, obwohl es längst wissenschaftlich erwiesen ist: Auch Antidepressiva machen körperlich abhängig.
Vorbild: England ändert seine Behandlungsleitlinien für Depressionen zum Wohl von Betroffenen
Im Jahr 2020 veröffentlichte das »Royal College of Psychiatrists« (Verband der Psychiater Englands) die Patienteninformation Stopping Antidepressants. Hier die deutsche Übersetzung:
Antidepressiva absetzen – Patienteninformation des Royal College of Psychiatrists (deutsch)
Im gleichen Jahr wurde der Bericht Understanding depression: Why adults experience depression and what can help der »British Psychological Society« veröffentlicht. (englisch)
2021 veröffentlichten der Psychiater Dr. Mark Horowitz und der führende Pharmakologe in Großbritannien, Dr. David Taylor die wissenschaftliche Studie zum richtigen reduzieren und absetzen von SSRI-Antidepressiva Absetzmethode zur Verminderung von Entzugssymptomen beim Reduzieren und Absetzen von SSRI-Antidepressiva (Originaltitel: Tapering of SSRI treatment to mitigate withdrawal symptoms) in Lancet Psychiatry, inklusive Anhang mit konkreten Absetzschemata der einzelnen SSRI-Antidepressiva. (deutsch)
2022 veröffentlichte die »NICE«, die die Behandlungsrichtlinien für Depressionen in England festlegt, ihre neueste Edition. Der Großteil dieser drei Berichte floss in diese Behandlungsleitlinien ein.
Mehr noch: Die »NICE« erstellte und veröffentlichte die Zusatzleitlinie Medicines associated with dependence or withdrawal symptoms: safe prescribing and withdrawal management for adults (deutsch: Arzneimittel, die mit Abhängigkeits- oder Entzugssymptomen einhergehen: sichere Verschreibung und Entzugsmanagement für Erwachsene). Bei der DGPPN gibt es eine solche Zusatzleitlinie bisher nicht! Der Bericht Understanding depression: Why adults experience depression and what can help der »British Psychological Society«” wurde nahezu vollständig in die neue Behandlungsleitlinie übernommen.
Alle drei Organisationen sowie die »NICE« erklären das biochemische Modell als Ursache für Depressionen und deren Heilung durch Antidepressiva für wissenschaftlich widerlegt. In der Zusatzleitlinie steht im Titel:
Medicines associated with dependence or withdrawal symptoms(deutsch:Medikamente, die mit Abhängigkeits- oder Entzugserscheinungen verbunden sind.
Das heißt, auch Antidepressiva können körperlich abhängig machen.
Neue Studie zeigt: Häufigkeit, Dauer und Schwere von Antidepressivaentzugssymptomatik bisher unterschätzt
Das dies keineswegs übertrieben ist zeigt eine Meta-Studie: Dr. James Davies von der »University Roehampton London« und Professor John Read von der »University East London« untersuchten 24 Studien von 1990 bis heute mit einer Gesamtteilnehmerzahl von über 4.000 Patienten, hauptsächlich aus den USA und Großbritannien. Adäquat berücksichtigt wurden auch die größten Untersuchungen per Betroffenenbefragungen, kontrollierte Studien wurden ein- sowie Studien mit Interessenkonflikten ausgeschlossen [1] (siehe Übersicht der untersuchten Studien).
Wichtigste Ergebnisse in der Übersicht
- Bei durchschnittlich 56% der Patienten traten beim Reduzieren und Absetzen von Antidepressiva Entzugssymptome auf,[2]
- bei 46% der Patienten waren diese schwerwiegend.[3]
- Je länger die Einnahme dauert, desto wahrscheinlicher treten Entzugssymptome auf.[4]
- Die Zahl der Langzeiteinnahmen steigt. Etwa 50% der Betroffenen nahmen Antidepressiva mindestens 2 Jahre lang ein.[22, 23, 24, 25]
- Entzugserscheinungen können Wochen, Monate, schlimmstenfalls sogar Jahre anhalten.
- 30% aller Befragten konnten auf unbestimmte Zeit ihrer Arbeit wegen der Entzugserscheinungen nicht mehr nachgehen.
- Mehrere Patientenerhebungen zeigten wenig ärztliche Unterstützung trotz häufiger schwerer Entzugssymptome.
- Die Behandlungsleitlinien in den USA und England sind nicht ausreichend und müssen überarbeitet werden. Das gilt auch für die deutschen Behandlungsleitlinien.
Der Beitrag Absetzen von Antidepressiva und Neuroleptika: Überfällige ärztliche Hilfen über die Übersichtsarbeit von Davies und Read ist in der Ausgabe 12/2019 der Fachzeitschrift NeuroTransmitter des »BVDN (Berufsverband deutscher Nervenärzte«) erschienen: https://die-psychopharmaka-falle.de/neue-studie-zeigt-haeufigkeit-dauer-und-schwere-von-antidepressivaentzugssymptomatik-bisher-unterschaetzt
Man kann hier von einer Revolution der Psychiatrie in England sprechen!
Weitere Änderungen in der neuen englischen Behandlungsleitlinie für Depressionen
Die neuen Behandlungsleitlinien in England fordern Hausärzte dazu auf bei der Diagnose einer Depression nicht als erste Maßnahme Antidepressiva zu verordnen. Das ist verständlich, da die meisten Erstverschreibungen von Antidepressiva durch den Hausarzt erfolgen. Weitere Punkte sind:
- Bei leichten Depressionen sollen Antidepressiva gar nicht eingesetzt werden sondern Psychotherapie, u.a. die MBCT, achtsamkeitsbasierte Verhaltenstherapie der Oxford University, die bereits zur Rückfallprophylaxe sehr erfolgreich eingesetzt wird sowie weitere Maßnahmen.
- Bei mittelschweren Depressionen gilt das gleiche, es sei denn der Patient wünscht nach ausführlicher Aufklärung eine Behandlung mit Antidepressiva.
- Bei schweren Depressionen sollen Antidepressiva weiterhin verordnet werden, nach ausführlicher Aufklärung über Risiken, Abhängigkeit und Nebenwirkungen.
- Zusatzleitlinie: Arzneimittel, die mit Abhängigkeit oder Entzugssymptomen einhergehen: sichere Verschreibung und Entzugsmanagement für Erwachsene
Auf Ihrer Website schreiben Sie unter Leitbild:
Gemeinsamen Werten verpflichtet
Die» DGPPN« hat sich bestimmten ethischen Grundüberzeugungen verschrieben. Sie definieren den Handlungsrahmen ihrer vielfältigen Aktivitäten.
Achtung der Würde und des Selbstbestimmungsrechts der betroffenen Menschen. Ideal einer evidenzbasierten und unabhängigen Wissenschaft, Verantwortung für das Wohl der Patienten und die Stärkung ihrer Selbstverantwortlichkeit, Wirksamkeit durch einen offenen, kontinuierlichen Diskurs.
Diese Prinzipien gilt es umzusetzen mit Kompetenz und Offenheit – Kompetenz in der Hilfe für Menschen mit psychischen Erkrankungen […] Das sind die wesentlichen Prinzipien, denen die »DGPPN« sich verpflichtet fühlt und die ihr Handeln auch in Zukunft prägen werden.
Sie sprechen von Verantwortung für das Wohl der Patienten und von ethischen Grundsätzen. Sie sprechen von Achtung der Würde. Nichts von dem, was Sie tun hat etwas mit Ethik oder Würde zu tun. Bitte streichen Sie diese beiden Begriffe oder werden Sie ihnen gerecht! England hat diesen Schritt bereits getan, während die »DGPPN« nur hohle Phrasen drischt.
Bitte teilen Sie mir mit, ob die »DGPPN« dem Vorbild Englands folgen wird und deren Behandlungsleitlinien für Depressionen übernehmen wird und wenn nicht, warum?
Abschaffung des SSRI-Absetzsyndroms
Die modernen Antidepressiva haben ein Krankheitsbild hervorgebracht, das es vorher nicht gab: das »SSRI-Absetzsyndrom«. Seit 2001 wurde es systematisch im Beipackzettel jedes SSRI/SNRI-Antidepressiva beschrieben. Es bildete eine eigenständige Diagnose im Klassifikationshandbuch der Medizin, dem ICD-10. Damit konnte jeder Arzt in Deutschland die Begleitung des Patienten beim Absetzen mit den Krankenkassen abrechnen.
Das »SSRI-Absetzsyndrom« existiert in den Beipackzetteln dieser Medikamentengruppe nicht mehr. Stattdessen heißt es jetzt Absetzsymptome, Absetzreaktionen oder Absetzerscheinungen, je nach Hersteller und es wird weiter verharmlost mit Begriffen wie hält nur wenige Wochen oder Monate an, verläuft mild usw.
Der Arzt kann nun nicht mehr die Begleitung eines Patienten beim Absetzen mit den Krankenkassen abrechnen. Sicher wissen Sie was ein Syndrom ist: Eine Kombination von unterschiedlichen physischen und psychischen Symptomen. Das SSRI-Absetzsyndrom wurde bisher mit folgenden Symptomen im Beipackzettel genannt:
- Orthostatische Störungen (Kreislaufbeschwerden), Schwindel und Gleichgewichtsstörungen bei Kopfbewegungen wie Drehen des Kopfes oder horizontale Bewegungen der Augen (Blick nach links oder rechts)
- Empfindungsstörungen wie Schwindel, Höhenangst und Empfindungen, die an leichte Stromschläge erinnern und meist ausgehend von der Mitte des Körpers in die Extremitäten ausstrahlen oder auch am ganzen Körper auftreten (»Brain zaps«), Tinnitus
- Motorische Störungen (Zucken, Tics) und Schwierigkeiten bei alltäglichen Bewegungen (aufstehen, gehen)
- Schlafstörungen, lebhafte Träume, Müdigkeit, Tagschläfrigkeit (das Gefühl, plötzlich einzuschlafen)
- Verdauungsstörungen (Durchfall, Verstopfung), körperliches Unwohlsein (Kopfweh, verstopfte Nase, Abgeschlagenheit, Knochen- und Gelenksschmerzen, fieberartige Zustände)
- Stimmungsschwankungen, Muskelkrämpfe, Zittern, aggressives Verhalten, Manie, schwere Depression und Suizidgedanken
- Post-SSRI-bedingte sexuelle Dysfunktion
Quelle: Wikipedia
Bitte teilen Sie mir mit, warum der Begriff SSRI-Absetzsyndrom nicht mehr im Beipackzettel steht?
Bitte lesen Sie Ihr Leitbild noch mal durch und wenn Sie dann noch immer glauben diesem gerecht zu werden, streichen Sie es ganz, es ist bedeutungslos, denn Sie handeln wider Ihres Leitbildes. Das die Pharmaindustrie Gewinne machen möchte und solche Hürden wie das »SSRI-Absetzsyndrom« diese schmälern und deshalb abschaffen, werfe ich ihnen nicht vor, sie sind ihren Aktionären verpflichtet.
Die Aufgabe der DGPPN wäre es wahrheitsgemäß aufzuklären, den Herstellern bei unwahren Aussagen zu widersprechen und Leitlinien unabhängig von den Wünschen der Pharmalobby zu erstellen, die tatsächlich dem Wohl der Patienten dienen, wie in England die »NICE«.
Wenn Sie glauben, das sei so, dann beweisen Sie es und übernehmen Sie die englischen Behandlungsleitlinien. Wenn nicht ist Ihr Leitbild bedeutungslos. Denn das was Sie sagen entspricht nicht dem, was Sie tun.
Das systematische Versagen der Selbsthilfeorganisationen
Wie Sie wissen, haben wir in Deutschland zwei große Selbsthilfeorganisationen: Die »Stiftung Deutsche Depressionshilfe« und die »Deutsche DepressionsLiga«, deren Schirmherr Torsten Sträter, der bekannte Comedian, ernsthaft eine Entstigmatisierung von Antidepressiva fordert.
Beide Organisationen propagieren, dass Antidepressiva nicht süchtig machen. Dazu sagt die DGSP:
Wir wollen den alten Streit um die Begriffe Abhängigkeit und Entzug nicht weiter verfolgen. Es ist eindeutig, dass die Patienten körperliche Entzugserscheinungen beim Absetzen der Medikamente erleiden können. Hauptstreitpunkt der Debatte ist das nicht vorhandene drogensuchende Verhalten bei Nutzern von Antidepressiva. Ob dies eine Rechtfertigung für den Nichtgebrauch des Wortes Abhängigkeit darstellt, darf bezweifelt werden.
Ich war sehr irritiert, dass ich auch dort die Informationen, die ich suchte nicht fand. Als Person mit Depressionen würde ich erwarten, dass diese Organisationen mich ausführlich und wahrheitsgemäß über Risiken und Nebenwirkungen von Antidepressiva, wie das erhöhte körperliche Abhängigkeitspotenzial, die geringe pharmakologische Wirkung von nur 20 % sowie Folgeerkrankungen, wie ernsthafte Herz- und Kreislauf-Erkrankungen oder Diabetes aufklären sowie eine Anleitung haben, wie man diese richtig absetzt, da sie Antidepressiva bei jeder Form von Depression als harmlose, nicht abhängig machende und gut verträgliche Medikamente propagieren.
Das dies nicht geschieht ist fahrlässig und unverantwortlich! Man denke nur an den »Stewart-Dolin-Fall«, der nach Verschreibung des SSRI Paroxetin (Seroxat in UK) nach einmaliger Einnahme sich vor die U-Bahn warf. Man geht davon aus, dass er einen Anfall extrem starker Akathisie erlebte. Ich selbst habe bei 3 gescheiterten Absetzversuchen starke Akathisie erlebt und tot zu sein, erschien mir wie eine Erlösung von diesen nicht endenden Qualen.
Akathisie: mehr als nur eine harmlose Bewegungsunruhe
Die Witwe von Stewart Dolin, Wendy Dolin verklagte den Hersteller von Paroxetin GlaxoSmith&Kline erfolgreich auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 3 Millionen Dollar und gründete die »Stiftung für medikamenteninduzierte Suizidprävention und Aufklärung« kurz MISSD. MISSD erklärt Akathisie so:
Bei der Akathisie handelt es sich um eine Störung, die als Nebenwirkung von Medikamenten (einschließlich SSRI und Antipsychotika) ausgelöst wird und bei der eine Person eine so starke innere Unruhe verspürt, dass sie zu Gewalttaten und/oder Selbstmord getrieben wird.
Betroffene beschrieben es als ein innerliches Verbrennen, ein aus der eigenen Haut fahren wollen und nicht können, es drängen sich einem automatisch Suizidgedanken auf.
Bereits 2004 warnte die FDA (Food and Drug Administration USA, die für die Zulassung neuer Medikamente zuständig ist) davor, dass SSRI-Antidepressiva Angst, Erregungszustände, Panikattacken, Schlaflosigkeit, Gereiztheit, Feindseligkeit, Impulsivität, Akathisie (starke Ruhelosigkeit), Hypomanie (abnormale Aufgeregtheit) und Manie (Psychose, charakterisiert durch übersteigerte Gefühle, Größenwahn) verursachen können.11
Es gibt etwa 6000 dokumentierte Fälle von Gewalttaten und Suiziden von Menschen, die SSRI-Antidepressiva einnahmen und täglich werden es mehr.12
Es konnte nachgewiesen werden, dass diese Antidepressiva Verhaltensänderungen wie Reizbarkeit, Feindseligkeit, Impulsivität und Manie auslösen, die wiederum zu Gewalttaten oder Suizid führen können. Medizinische Studien zeigen, dass sich bei Patienten, die keinerlei gewalttätige Vergangenheit haben, unter dem Einfluss von Psychopharmaka, »eine von Gewalt geprägte Angriffslust« entwickelt.13
Der Vergleich mit dem Diabetiker
Diese Medikamente müssen Sie ein Leben lang einnehmen, das ist wie bei einem Diabetiker, der muss auch ein Leben lang Insulin spritzen.
Diesen Vergleich haben viele Patienten so sicher schon von Ärzten und Psychiatern gehört, ich gleich mehrfach. Die Depression als körperliche Erkrankung des Gehirns. Diabetes ist eine körperliche Erkrankung, während eine Depression entweder eine psychische Erkrankung, ein Entzugssymptom oder ein Symptom einer anderen schweren Erkrankung sein kann, wie Krebs oder Leukämie.
Antidepressiva sind nicht zur Langzeitanwendung gedacht, denn dann verändern sie das Gehirn stark und es kommt tatsächlich zu einem Ungleichgewicht an Botenstoffen, was die Gesundheit des Patienten gefährdet.
Antidepressiva sollten nicht länger als ein Jahr eingenommen werden, sie sind nicht zur Langzeiteinnahme gedacht […]
das sagt Prof Dr. Tom Bschor, Mitverfasser der Behandlungsleitlinien für Depressionen in seinem Buch Antidepressiva. Wie man die Medikamente bei der Behandlung von Depressionen richtig anwendet und wer sie nicht nehmen sollte: Vom Mitautor der Behandlungsleitlinie für Depressionen.
Ein Grundsatz beim Absetzen von Psychopharmaka lautet: Je länger die Einnahme und je höher die Dosis, umso schwerer das Reduzieren und Absetzen, für manche ist es gar nicht mehr möglich! Das ist die einzige allgemeingültige Aussage zu Psychopharmakaentzügen.
Diese zwei Selbsthilfeorganisationen haben versagt und werden ihren eigenen Ansprüchen nicht gerecht.
Das ist offenbar auch nicht ihr wirkliches Interesse. Statt wahrheitsgemäß aufzuklären, machen sie Lobbyarbeit für die Pharmahersteller. Sie sind deren Sprachrohr, sie propagieren die Aussagen der Pharmaindustrie als wissenschaftlich bewiesen. Sie sagen das wäre die allgemeine Meinung, was nicht stimmt, es ist die veröffentlichte Meinung der Pharmahersteller und stellen diese als Fakt da, daran gibt es für uns Betroffene keinen Zweifel.
Aufklärung und Hilfe durch Facebook-Absetzgruppen und Online-Foren
Es gibt bisher nur eine Organisation, die wahrheitsgemäß aufklärt, aber nur wenig Einfluss hat: Die »DGSP« Der Fachausschuss Psychopharmaka hat im August 2020 eine Ergänzung zur Stellungnahme Annahmen und Fakten: Antidepressiva vom 12. Juni 2019 vorgelegt. Thema sind hier persistent postwithdrawal disorders (hartnäckige dem Entzug folgende Beschwerden).
Dazu kommen zahlreiche Foren und Absetzgruppen bei Facebook, moderiert und administriert von Betroffenen mit Expertenwissen für Betroffene.
Wie man Antidepressiva richtig reduziert und absetzt
Der Psychiater in Ausbildung Dr. Mark Horowitz erklärt in einem von ihm und Dr. David Taylor, Professor für Psychopharmakologie am »Kings College London«, publizierten Fachbeitrag, wie die Abhängigkeit von Antidepressiva entsteht und dass die offizielle Methode zu schnell ist und zu mehr oder weniger starken Entzugssymptomen führt. Sie zeigen für alle SSRI konkrete Absetzschemata, wie viele Rezeptoren bei welcher Dosis belegt sind bzw. beim Reduzieren frei werden, was die Entzugssymptome verursacht, weil es jetzt zu einem biochemischen Ungleichgewicht im Gehirn kommt, dass das Gehirn erst wieder ausgleichen muss, um wieder den Normalzustand der Homöostase herzustellen.
Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, dass SSRI/SNRI-Antidepressiva mit Dauer der Einnahme das biochemische Ungleichgewicht erst schaffen und nicht beseitigen, sie machen aus einem gesunden Gehirn ein krankhaft verändertes Gehirn.
Dr. Horowitz ist nicht nur Psychiater in Ausbildung sondern auch Betroffener. Er nimmt seit mehreren Jahren ein Antidepressivum. In einem Interview mit Mad in America spricht er über seine Erfahrungen und sagt:
Ich hatte noch nie etwas über Entzugserscheinungen bei Antidepressiva gehört, weder im Medizinstudium noch in meiner Psychiatrieausbildung.
Dort sind Antidepressiva harmlose Medikamente mit guter Wirkung. Dort wird das biochemische Modell als Ursache für Depressionen noch immer gelehrt.
Er sagt:
Ich denke, wenn ich das Entzugssyndrom nicht erlebt hätte, wäre ich sehr skeptisch gewesen. Ich denke, wenn ein Patient zu mir gekommen wäre [bevor ich es erlebt hatte] und gesagt hätte, dass er echte Probleme hätte, ein Antidepressivum abzusetzen, wäre ich wahrscheinlich geneigt gewesen, ihm nicht zu glauben.
Erst die eigene Betroffenheit hat seine Meinung geändert und er fing an, dass was er gelernt hatte in Studium und Ausbildung zu hinterfragen. Kollegen glaubten ihm nicht, erst in den Absetzforen bekam er Antworten auf seine Fragen und dann fing er an zu forschen und verfasste einen Fachartikel zusammen mit Dr. David Taylor darüber.
Überdosierung von SSRI-Antidepressiva
Sieht man sich die konkreten Absetzschemata für jedes SSRI an, stellt man fest, dass z.B. bei Citalopram (siehe Abbildung) bei einer Dosis von 20 mg mehr als 80 % der Rezeptoren belegt sind und eine höhere Dosis nur unwesentlich mehr Rezeptoren belegt:
bei einer Dosis von 40 mg sind es 85,9 %
bei einer Dosis von 60 mg sind es 87,8 %
bitte nur die obere Abbildung ansehen!
Das trifft so in etwa auf alle SSRI zu und im Beipackzettel sind je nach Medikament 20 bis 40 mg Standard, eine Erhöhung auf 60 mg maximal möglich, bei Sertralin sind 50 – 100 mg Standarddosis. Pharmakologen gehen davon aus, dass SSRI und SNRI in der Regel überdosiert verordnet werden, die Absetzschemata von Horowitz bestätigen das.
Selbst in kleinsten Dosen sind diese Medikamente hochpotent in ihren Auswirkungen nicht zu verwechseln mit Wirkung.
Ich habe die Facharbeit für Laien verständlich auf meinem Infoportal übersetzt und veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von Dr. Horowitz, ebenso das erwähnte Interview, das man hier lesen kann und weitergeben darf an Kollegen, Betroffene und Interessierte, das ist der Wunsch von Dr. Horowitz.
Ich bin, wie Dr. Horowitz fest davon überzeugt, dass die meisten Psychiater ihren Patienten nicht absichtlich schaden wollen, es aber tun, weil ihnen das Wissen fehlt, sie haben das nie gelehrt bekommen. Sie sind hilflos und froh, wenn da plötzlich die Pharmaindustrie daher kommt und sagt, wir haben das Medikament, dass euren Patienten hilft und Ärzte und Psychiater und Patienten das dankbar annehmen und der Pharmaindustrie blind vertrauen.
Ich verstehe bis heute nicht, wie sich das biochemische Modell über Jahrzehnte halten konnte.
Woher will man wissen, dass ein Ungleichgewicht an Botenstoffen Ursache für Depressionen ist, wenn man den Serotoninspiegel im Gehirn gar nicht messen kann? Kaum ein Psychiater weiß, dass das meiste Serotonin im Körper produziert wird (95%) und nur wenig (5%) im Gehirn.
Ich mache niemanden den Vorwurf das alles nicht gewusst zu haben, man hätte es aber wissen können, mit etwas Recherche und Vertrauen in die Patienten, die davon berichtet haben.
Der Vorwurf, den ich Ärzten und Psychiatern mache ist, den Versprechungen der Pharmahersteller blind vertraut zu haben und diese nicht kritisch hinterfragt zu haben. Selbst ein Laie erkennt, das die Aussage der Pharmahersteller, die auch noch als wissenschaftlich bewiesen propagiert wurde, nicht zutreffen kann, wenn man den Serotoninspiegel im Gehirn nicht messen kann. Vielleicht wollten Ärzte und Psychiater einfach glauben, was die Pharmahersteller versprachen und als wissenschaftlich bewiesen propagierten, weil sie ihren Patienten helfen wollten und bis dahin nicht konnten. Selbst das ist keine Entschuldigung dafür, sich nicht ausführlich informiert zu haben.
Ich gehe seit 10 Jahren durch die Hölle, weil man bei mir aus Unwissenheit alles falsch gemacht hat, was man falsch machen kann.
Hauptwirkung Placebo
Es ist nicht abzustreiten, dass die SSRI und SNRI ganz vielen Patienten helfen, auch wenn es der »Placeboeffekt« ist, der dafür in den meisten Fällen verantwortlich ist. Selbst das wäre kein Problem, wenn es nicht auch diese schlimmen Nebenwirkungen und das körperliche Abhängigkeitspotenzial und bewiesene erhöhte Suizidrisiko gäbe.
Nutzen-Risiken-Abwägung
Ein wichtiges Kriterium zur Zulassung und Verordnung von Medikamenten ist die Nutzen-Risiken-Abwägung, also ob der Nutzen oder die Risiken überwiegen. Bei den SSRI und SNRI überwiegen die Risiken deutlich! Es ist verantwortungslos und fahrlässig sie zu verschreiben.
Gefälschte Zulassungsstudie: Der Seroxat-Skandal
Diese Medikamente dürfte es auch gar nicht geben. Sicherlich kennen Sie auch den Seroxat-Skandal Der Hersteller von Paroxetin (Seroxat) GlaxoSmith&Kline hatte der FDA, der Zulassungsbehörde für neue Medikamente, verschwiegen, dass es während der Zulassungsstudie zu mehr als 20 Suiziden und mehr als 40 Suizidversuchen unter den Probanden der Studie gekommen war. Das Medikament wäre niemals zugelassen worden und auch kein anderes SSRI oder SNRI, denn alle wirken auf die gleiche Weise und unterscheiden sich nur in der Halbwertszeit.
Möchte man weitere Abhängige vermeiden, sollten diese Medikamente nicht mehr neu verschrieben werden. Wer sie bereits nimmt, soll sie weiter nehmen können, weshalb man die SSRI und SNRI auch nicht vom Markt nehmen sollte.
Meine erwünschten Voraussetzungen zur Verordnung von Antidepressiva
Ich habe mir schon länger darüber Gedanken gemacht und meine erwünschten Voraussetzungen zur Verordnung von Antidepressiva formuliert. Hier einige Vorschläge:
1. Einrichtungen, Ambulanzen, die einen qualifizierten und sanften Entzug nach dem hyperbolischen Absetzschema von Dr. Mark Horowitz über Jahre hinweg begleiten, bis der Patient frei von Psychopharmaka ist und ein einigermaßen normales Leben führen kann. Die Kosten tragen die Krankenkassen, finanziert durch deutlich geringere Verschreibung von Antidepressiva.
2. Fehldiagnosen vermeiden durch Fortbildung von Ärzten und Psychiatern.
3. Die Nutzen-Risiken-Abwägung steht bei den SSRI/SNRI-Antidepressiva in keinem verantwortbaren Bereich. Daher sollten sie nicht mehr neu verordnet werden bzw. nicht länger als ein Jahr, es sei denn der Patient wünscht eine Behandlung mit SSRI/SNRI-Antidepressiva. Wer sie bereits nimmt, soll sie auch weiterhin nehmen.
4. Vor Verordnung verbindliche Aufklärung über Risiken, Nebenwirkungen, Abhängigkeitspotenzial, erhöhtes Suizidrisiko und geringe Wirksamkeit von Antidepressiva anhand eines Aufklärungsbogen:
Ich habe einen solchen Aufklärungsbogen erstellt und meine Wünsche und Vorstellungen darin erklärt:
Aufklärung vor Verordnung: Meine erwünschten Voraussetzungen für das Verschreiben von Antidepressiva
Die in den Beipackzetteln angegebenen Standarddosen bei den SSRI von 40 mg sind viel zu hoch. Wie der Fachartikel von Dr. Horowitz zeigt, sind bei 40 mg nur unwesentlich mehr Rezeptoren belegt, als bei 20mg.
Sie machen aus einem eigentlich gesunden Gehirn ein krankhaft stark verändertes Gehirn. Sie beseitigen kein biochemisches Ungleichgewicht sondern erzeugen dieses erst mit Dauer der Einnahme.
England hat das alles erkannt und gehandelt. In Deutschland gibt es kein passendes Setting für einen qualifizierten Antidepressivaentzug, der die Notwendigkeit des langsamen hyperbolischen Reduzierens berücksichtigt. Dieser wird stationär zu schnell und in zu großen Dosisschritten gemacht und was dann passiert zeigt die Facharbeit von Dr. Horowitz eindrücklich!
Ich wünsche mir von der DGPPN, dass sie die Behandlungsleitlinien aus England möglichst schnell übernimmt und gerne noch deutlicher formuliert. Ich wünsche mir, dass es irgendwann auch Fachambulanzen in Deutschland gibt, die einem beim sanften Entzug begleiten, wie sie in England schon existieren. Es muss nicht noch mehr unnötiges Leid geben und es trifft auch Ärzte und Psychiater, wie Dr. Ed White, der in Absetzgruppen geforscht hat und sich vor kurzem das Leben nahm. Er war Psychiater und abhängig von einem SSRI oder SNRI. Er hat wichtige Arbeit für uns Betroffene geleistet, wir verdanken ihm sehr viel!
RIP: Ed White – Advocate, Researcher and Supporter
Ich möchte wieder leben, statt nur zu überleben, was mit Leben rein gar nichts zu tun hat!
Freundliche Grüße
Markus Hüfner
Update vom 12.12.2023
Am 23.11.2023 bat ich die DGPPN um eine Stellungnahme, ob man dem Vorbild Englands folgt. Die englischen Behandlungsleitlinien wenden sich vom pharmakologischen Behandlungsansatz ab und stellen den Patienten in seinem sozialen Umfeld in den Vordergrund. Hausärzte werden aufgefordert nicht als erstes SSRI-Antidepressiva bzw. ältere Antidepressiva zu verordnen sondern Sport und MBCT
Leider erhielt ich keine Antwort, fand aber auf der Facebooksite der DGPPN einen Post zum eigenen vor kurzem ausgerichteten Kongress »Ökologische Psychiatrie und Psychotherapie«, in dem die DGPPN von, ich zitiere:
Vier Tage voller wissenschaftlicher Highlights«
spricht. Leider steht im Post nicht, welche wissenschaftlichen Highlights das sind? Ich fragte nach und nannte die für mich wichtigsten wissenschaftlichen Highlights seit 2020:
- Im Jahr 2020 veröffentlichte das »Royal College of Psychiatrists« (Verband der Psychiater Englands) die Patienteninformation Stopping Antidepressants. Hier die deutsche Übersetzung:
Antidepressiva absetzen – Patienteninformation des Royal College of Psychiatrists, um Entzugssymptome zu vermeiden bzw. zu reduzieren. (deutsch)
-
Im gleichen Jahr wurde der Bericht Understanding depression: Why adults experience depression and what can help der »British Psychological Society« veröffentlicht. (englisch)
-
2021 veröffentlichten der Psychiater Dr. Mark Horowitz und der führende Pharmakologe in Großbritannien, Dr. David Taylor die wissenschaftliche Studie Absetzmethode zur Verminderung von Entzugssymptomen beim Reduzieren und Absetzen von SSRI-Antidepressiva (Originaltitel: Tapering of SSRI treatment to mitigate withdrawal symptoms) bei Lancet Psychiatry, inklusive Anhang mit konkreten Absetzschemata der einzelnen SSRI-Antidepressiva. (deutsch)
-
2022 veröffentlichte die »NICE« (»National Institute for Health and Care Excellence«), die die Behandlungsrichtlinien für Depressionen in England festlegt, ihre neueste Edition. Der Großteil dieser drei Berichte floss in diese Behandlungsleitlinien ein.
Mehr noch: Die »NICE« erstellte und veröffentlichte die Zusatzleitlinie Medicines associated with dependence or withdrawal symptoms: safe prescribing and withdrawal management for adults (deutsch: Arzneimittel, die mit Abhängigkeits- oder Entzugssymptomen einhergehen: sichere Verschreibung und Entzugsmanagement für Erwachsene). Bei der DGPPN gibt es eine solche Zusatzleitlinie bisher nicht! Der Bericht Understanding depression: Why adults experience depression and what can help der »British Psychological Society«” wurde nahezu vollständig in die neue Behandlungsleitlinie übernommen.
Nachdem ich das getan hatte und mir in diesem Beitrag ein Fehler aufgefallen war, wollte ich mich wieder in die Facebooksite der DGPPN einloggen, um auch dort den Fehler zu korrigieren. Ich kam nicht mehr rein. Man hatte das Profil meiner Facebooksite und sogar mein persönliches Profil kommentarlos gestrichen. Ich habe ein weiteres Profil, mit dem ich so etwas überprüfen kann. Ich hätte einen Screenshot machen sollen, wie ich so etwas stets mache, aus Erfahrung.
Es ist nicht das erste Mal und auch nicht das letzte Mal, dass die Pharmalobby so vorgeht. Die beiden großen Selbsthilfeorganisationen für Menschen mit Depressionen, die Stiftung Deutsche Depressionshilfe und die Deutsche DepressionsLiga e. V. haben mich ebenfalls nach immerhin mehreren kritischen, aber wissenschaftlich korrekten und sozial kompetent geäußerten Kommentaren gesperrt, auch hier gleich das private Konto dazu.
Man möchte nichts Negatives über Antidepressiva hören, sehen und schon gar nicht sagen. Man glaubt weiter an das wissenschaftlich widerlegte biochemische Modell, täuscht Menschen mit Depressionen und stigmatisiert ALLE, die schlimme Erfahrungen mit der Einnahme und oder dem Absetzen von Antidepressiva gemacht hat, in dem diese ignoriert und deren Leid systematisch geleugnet werden, wie ich es im folgenden Beitrag erläutere: https://die-psychopharmaka-falle.de/stiftung-deutsche-depressionshilfe-stigmatisiert-betroffene?highlight=Stigmatisiert%20Betroffene
Auf einen kritischen Kommentar mit einem Ausschluss zu reagieren ist unprofessionell und zeigt ein Mal mehr: Mit der DGPPN, der DDH und der DDL kann man nicht diskutieren, sie wollen es auch gar nicht, sie können nichts wissenschaftlich widerlegen und sie wissen das auch.
Mir wird dann häufig vorgeworfen, ich würde einseitig und tendenziös berichten. Diese Annahme beruht auf einer falschen Wahrnehmung: Der Wahrnehmung, es gäbe wissenschaftliche Beweise, die das was Stand heute wissenschaftlich erwiesen ist und worüber ich berichte, wissenschaftlich widerlegt werden kann und von mir unterschlagen wird. Ich habe lange nach solchen Beweisen gesucht, wie viele Wissenschaftler, ich habe nichts gefunden und die Wissenschaftler haben nichts gefunden. Gäbe es Beweise hätte die Pharmaindustrie diese längst veröffentlicht.