Rezension »Mein Absetztagebuch« von Anne Jonnek© 2025 Anne Jonnek

Liebevoll gestaltetes Absetztagebuch zur täglichen Reflexion während des Reduzierens von Antidepressiva

Lesedauer: 4 Minuten

Rezension: »Mein Absetztagebuch« von Anne Jonnek. Anne Jonnek hat als Betroffene eines langwierigen Absetzprozesses des SNRI Venlafaxin ein Absetztagebuch für Betroffene gestaltet. »Mein Absetztagebuch« ist kein klassisches Buch, sondern ein sorgfältig und liebevoll gestalteter Begleiter für drei Monate des Antidepressiva-Reduktionsprozesses in Form eines strukturierten Kalenders mit therapeutischen Impulsen. Es richtet sich an Menschen, die sich bewusst und achtsam auf den Weg machen wollen, Antidepressiva zu reduzieren oder abzusetzen.

Ich selbst befinde mich in einem jahrelangen »Langzeitentzugssyndrom« mehrerer Psychopharmaka und finde das Absetztagebuch daher besonders wertvoll!

Jeder Tag bietet Raum für die wichtigsten Beobachtungen:

  • Datum und aktuelle Dosis,
  • Angaben zu Schlaf,
  • Energie- und Stresslevel,
  • körperlichen und psychischen Symptomen sowie
  • möglichen Triggersituationen.

Darüber hinaus gibt es Felder zur Reflexion – etwa über Sorgen, erhaltene Unterstützung durch Freunde, Familie oder Therapeut:innen sowie besondere Ereignisse. Eine kleine Tagesgefühlskurve ermöglicht es, die emotionale Tendenz visuell festzuhalten, praktisch wie ein Stimmungsbarometer.

Besonders hilfreich finde ich die Wochenrückblicke, die nach jeweils sieben Tagen dazu anregen, Herausforderungen, Fortschritte und wichtige Ereignisse zu reflektieren. Ergänzt wird dies durch kleine Impulse: etwa motivierende Zitate, Hinweise auf gesunde Ernährung, Achtsamkeit, Bewegung oder auf zentrale Aspekte des sicheren Reduzierens. So verbindet das Tagebuch Struktur mit Ermutigung. Nach jedem Monat folgt ein etwas ausführlicherer Monatsrückblick – eine gute Gelegenheit, Ziele, Erfolge und Hürden in den Blick zu nehmen.

»Mein Absetztagebuch« macht sichtbar, was oft im Entzugs-Alltag untergeht:Wie es uns wirklich während des Reduzierungsprozesses ergeht. Es macht die kleinen Erfolge sichtbar, die man, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, so oft übersieht, nicht als Fortschritt würdigt, nicht wertschätzt, sondern übergeht, da diese oft nur subtil oder gar nicht wahrgenommen werden.

Die für mich persönlich schwierigste Zeit ist das notwendige Warten von 6 bis 8 Wochen nach jedem Reduktionsschritt, damit sich das Nervensystem erholen kann, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen, denn jeder Reduktionsschritt bedeutet für das Nervensystem Stress. Es gerät aus dem Gleichgewicht, was sich in Form von physischen und psychischen Entzugssymptomen äußert. Da ist es hilfreich, im Absetztagebuch zu blättern und sich bewusst zu machen, was man schon geschafft hat und für jeden Erfolg sollte man sich auch belohnen.

Das Tagebuch bietet keine medizinischen Absetzinformationen im engeren Sinne, ersetzt keine ärztliche Begleitung – aber es sensibilisiert auf behutsame Weise für das, worauf es beim Absetzen ankommt: Selbstbeobachtung, Stabilität, Selbstfürsorge, Unterstützung und das Bewusstsein, dass kleine Fortschritte wichtig und wertvoll sind.

Mit Rückschlägen muss gerechnet werden, die lassen sich nur selten vermeiden. Ich persönlich habe aus jedem Rückschlag dazugelernt.

Um es ein mal klar zu sagen: Scheitern gehört zum Leben, auch wenn es in unserer Hochleistungs- und Selbstoptimierungsgesellschaft als Schwäche angesehen wird, ist es in Wahrheit eine besonders große Stärke, denn ohne Fehler zu machen, Rückschläge zu erfahren können wir uns persönlich nicht weiterentwickeln und an der Aufgabe wachsen. Es gibt einen schönen Spruch:

Ein Rückschlag ist die Vorbereitung auf einen zukünftigen Erfolg

Es geht nicht darum, das man scheitert, sondern das Scheitern als wertvolle Erfahrung wahrzunehmen, wieder aufzustehen und es erneut zu probieren. So entsteht mit der Zeit Resilienz (Widerstandsfähigkeit) auch in anderen schwierigen Situationen und Ereignissen im Leben.

Ich halte dieses Tagebuch für eine wichtige und wertvolle Ergänzung zu den fundierten Reduktionsplänen nach den »Maudsley Deprescribing Guidelines« von Dr. Mark Horowitz (Psychiater und Betroffener) und Dr. David Taylor (Pharmakologe).

Die »Maudsley Deprescribing Guidelines« enthalten u.a. konkrete Absetzpläne für jedes Antidepressiva sowie anderen Psychopharmaka, wie Benzodiazepine. Es gibt jeweils einen schnellen, moderaten und langsamen Absetzplan nach dem »hyperbolischen Absetzschema« von Horowitz und Taylor, auf Grundlage der »10%-Prozentmethode«, die von Betroffenen in US-Selbsthilfe-Absetzforen wie dem »survivingantidepressants.org« über Jahrzehnte durch ein Try and Error-Verfahren als beste Methode zum sanften reduzieren und absetzen von Psychopharmaka praktisch entwickelt wurde.

Horowitz und Taylor haben dies mit den »Maudsley Deprescribing Guidelines« auch wissenschaftlich als die erfolgreichste und eine sanfte Absetzmethode nachgewiesen, um mögliche Entzugssymptome so gering wie möglich zu halten. Eine Garantie, das dies so sein wird gibt es nicht, aber es erhöht die Wahrscheinlichkeit um ein Vielfaches!

Bei einem Psychopharmakaentzug ist es wichtig von Anfang an alles richtig zu machen, um erfolgreich zu sein. Auch wenn man denkt: Das läuft ja richtig gut, da kann ich auch schneller oder in höheren Dosen reduzieren, sollte man sich an den Absetzplänen orientieren, d.h. mindestens 4 Wochen zwischen den Reduktionen warten oder solange, bis die Entzugssymptome verschwunden sind.

Man sollte aber auch nicht länger reduzieren, als man das Medikament eingenommen hat, da sonst die Gefahr der körperlichen Abhängigkeit steigt, dies gilt besonders bei Kurzzeiteinnahme. Antidepressiva sollten nicht länger als 1 Jahr eingenommen werden, das sagt Prof. Dr. med. Tom Bschor, Mitverfasser der deutschen Behandlungsleitlinien für Depressionen und laut Bschor sollte man auch nicht mehrere Antidepressiva ausprobieren, da ohnehin alle nach dem gleichen Prinzip wirken und sich nur in der Halbwertszeit unterscheiden. Wirkt das erste nicht, wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch kein anderes wirken. Er hat dazu ein Buch geschrieben »Antidepressiva. Wie man die Medikamente bei der Behandlung von Depressionen richtig anwendet und wer sie nicht nehmen sollte: Vom Mitautor der Behandlungsleitlinie für Depressionen«, ebenfalls bei Amazon erhältlich.

Es gibt eine offizielle Liste, die die meisten physischen und psychischen Entzugssymptome enthält und mit Hilfe derer man dokumentieren kann, ob ein Entzugssymptom

  • ein neues Symptom ist,
  • ein altes Symptom, aber verschlechtert ist,
  • ein altes Symptom, aber gebessert ist,
  • Ein altes Symptom, unverändert ist,
  • ein Symptom nicht vorhanden oder nicht mehr vorhanden ist.

Diese Liste ist die »DESS-Checkliste« (Discontinuation Emergent Signs and Symptoms), die Du von meinem Infoportal kostenlos als PDF-Dokument herunterladen kannst.

Was mir persönlich noch sehr geholfen hat, ist ein Wertetagebuch zu führen.

Es ist wichtig, die eigenen Werte zu kennen und so dem oft schweren, leidvollen Reduzierungs- und Absetzprozess einen Sinn zu verleihen. Wie man seine Werte ermittelt erfährst Du auf meinem Infoportal. Dort findest Du auch eine Liste mit Werten.

Hier zwei Beispiele:

Beim Konzert der Allah Las in Frankfurt gewesen.
(Mut, Entschlossenheit, Akzeptanz, Begeisterung, Verbindung, Genuss, Freiheit, Faszination, Freude, Spaß, Selbstmitgefühl)

Beim Zahnarzt gewesen zur Kontrolle.
(Mut, Entschlossenheit, Bereitwilligkeit, Akzeptanz, Gesundheit, Selbstfürsorge/Selbstmitgefühl, Achtsamkeit)

Mein Absetztagebuch ist bei amazon.de erhältlich.

Es gibt zwei weitere lesenwerte Rezension. Eine wurde von »depression-heute.de« auf deren Website veröffentlicht:

»Jonnek: Liebevolles Absetztagebuch zum Selberausfüllen«

Die zweite von Peter Lehmann vom »Antipsychiatrieverlag«:

»Anne Jonnek: Mein Absetztagebuch – Mein persönlicher Raum zur Reflexion über Erlebnisse, Fortschritte und Rückschläge auf dem Weg zu innerer Stabilität«

Aloha*

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Veröffentlicht von

Mein Name ist Markus Hüfner. Ich bin Blogger, Webdesigner und Künstler. In diesem Blog schreibe ich über meine Erfahrungen mit der Heilkraft der buddhistischen Psychologie und dem richtigen Reduzieren und Absetzen von Psychopharmaka auf Stand der aktuellen Wissenschaft.