Wenn Psychopharmaka einnehmen schneller geht, als sie wieder abzusetzen. Erfahrungsbericht eines Schwerstbetroffenen.

Lesedauer: 9 Minuten

Ich hatte mal wieder eine mehrstündige Panikattacke mit einer vollständigen Verkrampfung des Körpers, starker Muskelanspannung u Verkrampfung, meine Brust fühlte sich an, als ob Elefanten darauf tanzen würden, der ganze Körper kribbelte. Ich konnte fühlen wie das Blut durch meine Venen rauschte, das Herz raste und am liebsten rausspringen wollte, um davon zu laufen! Jetzt liege ich hier auf meiner Couch und japse nach Luft und mir kommt der Film Everest in den Sinn, den ich gestern gesehen habe.

All diese Psychopharmaka einzunehmen und die Dosis zu erhöhen, dass geht schnell, sie wieder zu reduzieren und abzusetzen kann ewig dauern. dass ist wie wenn ich gerade bis zum Gipfel des »Mount Everest« ohne Sauerstoff vorgedrungen wäre und dann da jemand steht und sagt:

Toll! Großartige Leistung, aber runter geht es nicht mehr!

Im Film Everest sitzt Rob Hall kurz unter dem Gipfel des Everest fest, als ein Unwetter einbricht und er dort oben verharren muss, weil er selbst aufgrund des Sturms und Erschöpfung nicht mehr absteigen kann. Es kann niemand zu ihm vordringen, um ihm Sauerstoff zu bringen und vom Berg runter zu holen. Ich verrate hier nicht, wie das ausgeht. Der Film beruht auf wahren Ereignissen. Rob Hall war einer der ersten, der mit seinem Unternehmen »Adventure Consultants« kommerzielle Bergsteigertouren am »Mount Everest« anbot.

Und das ist es dann, besser wird es nicht, der Abstieg in die kostbare Atmosphäre, in der Du sanft u vollkommen frei atmen kannst, Dich erholen kannst und heilen kannst ist blockiert durch die Medikamente, die Dir eigentlich helfen sollten und die ich nicht mehr absetzen kann.

Ich war schon zweimal da oben und habe es auch wieder runter geschafft, das waren die zwei schlimmen und traumatischen aber nichts desto trotz möglichen Benzodiazepinentzüge und ich habe mich zwar nicht wieder vollständig davon erholt, aber Größtenteils, so das es lebenswert war. Aber dieses scheiß Antidepressivum ist noch mal ein ganz anderes Kaliber.

Es hat mich da oben festgesetzt jeder gescheiterte Abstiegsversuch durch Reduzierung der Dosis hat es schlimmer gemacht! Den es bleibt immer eine Spur zurück in Form von neuen Entzugssymptomen, die sich manifestieren und chronifizieren und schon vorhandene, die sich verstärken. Ich habe da inzwischen einiges angesammelt:

Wahrnehmungs- und Empfindungsstörungen wie Tinnitus, Kribbeln in Armen und Beinen, starke Muskelanspannung und -verkrampfung bis hin zu -schmerzen. Zahlreiche Nahrungsmittelunverträglichkeiten, Verstärkung von generalisierter Angst und Depressionen.

Da oben zu liegen und nach Luft zu schnappen ist nicht lebenswert!

Ich habe in den letzten sehr leidvollen Jahren viel gelernt, mein Wissen erweitert und eine neue Lebenspsychologie und -philosophie kennen und schätzen gelernt, die Heilkraft der buddhistischen Psychologie. Ich habe eine Website, wo ich darüber schreibe und berichte, denn diese Psychologie ist Grundlage aller neuen Verhaltenstherapien, dazu zählt auch die sehr erfolgreiche – Akzeptanz- und Commitment-Therapie (kurz ACT) .

ich habe gelernt, dass es einen Raum gibt zwischen Reiz und Reaktion gibt und das ich diesen Raum bewusst gestalten kann, in dem ich dem Verlangen des Reizes nicht nachgebe und jemanden verletzen könnte, der mich gerade verletzt hat. Ich weiß, dass das nichts mit mir zu tun haben muss, das ich nur gerade da bin an dem die Person ihren Ärger rauslässt.)

Ich habe gelernt, dass es einen Garten in meinem Unterbewusstsein, im Unterbewusstsein eines jeden Menschen gibt, in dem alle Keimlinge angepflanzt sind, die guten und die schlechten, denn das eine kann ohne das andere nicht existieren. Woher wüsstest Du was Liebe ist, wenn Du nicht auch weißt was Hass ist? Es ist immer beides vorhanden von der Geburt bis zu unserem Tod sind alle heilsamen und unheilsamen Samen vorhanden.

Da ist der Samen der Wut und der Samen der Freude und wir sind der Gärtner in diesem Garten und dafür verantwortlich, welche Keimlinge wir nähren, durch unsere Gedanken, (Sinnes)Wahrnehmungen, durch unser Verhalten und durch unsere Taten. je mehr wir einen Keimling nähren umso größer wird er bis er schließlich in unser Bewusstsein vordringt als große Pflanze und sich dort als feste Formation manifestiert, die fortan unser Verhalten, unsere Worte, unsere Taten bestimmen und auch welche Keimlinge wir dann dadurch in anderen nähren.

Diese Metapher ist so wundervoll, sie ist von Thich Nhat Hanh, einem buddhistischen Lehrmeister, mein Mentor, dass ich sie sofort verstanden habe, es ist so einfach und doch so schwer es in die Tat umzusetzen. Wie jeder Garten hat auch dieser ein Tor und an diesem Tor wacht die Achtsamkeit darüber, dass wir möglichst nur die heilsamen Samen nähren.

Das alles habe ich gelernt und ich bin dafür zu tiefst dankbar, es waren harte Prüfungen, die ich bestehen musste aber wenn ich sie bestanden habe, dann war da auch ein tieferes Verständnis vom Leben, vom Universum:

Das nichts aus dem nichts entstehen kann und nichts in das nichts verschwinden kann, denn Energie und Materie (aus der unsere Körper bestehen) sind nur transformierbar, das besagt ein Gesetz der Thermodynamik dem alles in unserem Universum unterworfen ist.

Ich habe gelernt, dass ich großes Leid und großen Schmerz sehr lange mitfühlend ertragen kann, ja zum Teil sogar in Mitgefühl transformieren kann.

Ich habe gelernt, dass der Tod nicht das Ende ist, das ich nur meine sterbliche Hülle verlasse um in anderer Form weiter zu existieren. Dank einer außerkörperlichen wenn auch sehr kurzen Erfahrung während einer tiefen Meditation habe ich das erfahren und seitdem keine Angst mehr vor dem Tod. Angst habe ich vor dem Sterben, vor Schmerz und Leiden.

Ich habe gelernt dass unser Verstand uns gerne an den Haken nimmt und tief in eine Geschichte über unsere Vergangenheit oder Zukunft hineinzieht, als ob sie bereits Realität wäre und wie ich mich von diesem Haken lösen kann, in dem ich es mir bewusst mache und sanft loslasse und mich auf den Atem konzentriere und auf das, was ich gerade getan habe. Das ist zielgerichtete Aufmerksamkeit.

Ich habe gelernt welch wundervolles Instrument der Atem ist und wie man auf ihm spielen kann, wie er mich beruhigen kann, wie er mir hilft beim loslassen, da sein lassen von starken Schmerzen und starker Angst und Panik, So gelingt es mir selbst mehrstündige Panikzustände mitfühlend und sanft durchzustehen um immer wieder die Erfahrung zu machen, dass ich mehr ertragen kann, als ich denke.

So baue ich Resilienz auf für künftige Krisen. Ich habe eine ganze Werkzeugtasche mit gelernten Fähigkeiten Krisen durchzustehen, dank der ACT kann ich Gedanken entschärfen, ich kann tief in Gefühle wie die Angst eindringen, sie beobachten und da sein lassen, so wie sie ist, sie einzuladen sich auszubreiten, ihr Raum zu schaffen.

Ich habe gelernt mit der Angst liebevoll zu sprechen. Ich stelle sie mir als fühlendes Wesen vor, das selbst Angst hat, weil ich sie ständig ablehne und verdränge. Sie sieht aus wie das kleine Männchen im Kopf von Riley bei Alles steht Kopf.

Ich habe gelernt, dass ich auch trotz 5 mg Tavor (Benzodiazepin, mit starker angstlösender Wirkung), 100 mg Promethazin (Neuroleptikum zur Sedierung mit angstlösender Wirkung) und 300 mg Lyrica (Antiepileptika mit angstlösender Wirkung) noch große Angst und Panik haben kann! Dann stelle ich der Angst die Achtsamkeit vor, ich sage zu ihr, dass die Achtsamkeit eine liebevolle Freundin ist, die darauf achtet, dass wir freundlich, wertschätzend und verständnisvoll miteinander umgehen.

Zur Zeit kann ich nicht mit ihr umgehen und ich schicke sie mit der Achtsamkeit hinaus in die weite Welt, ins Universum, denn wer sagt, dass die Angst auf meinen Körper beschränkt und eingesperrt bleiben muss, ich kann für sie so viel Raum schaffen, wie sie braucht also auch das ganze Universum. Ich gebe zu, dass ich sie damit verdränge, der Entzug ist so heftig, dass ich nicht mit ihr umgehen kann, sie nicht so da lassen kann, so sein lassen kann wie sie ist und wie ich das früher könnte.

Das alles habe ich gelernt und das ist eine Menge für ein Leben und ich glaube damit könnte ich mir jetzt ein wertvolles und zufriedenes Leben schaffen.

Ich weiß, wer ich bin, ich weiß, woher meine Angst kommt, die mich mein ganzes Leben begleitet hat, oft dabei im Weg stand ein wertvolles Leben zu leben, aber auch alles was ich erlebt habe sehr viel intensiver hat erleben lassen, wie im magischen Flow beim Tanzen in Clubs in Frankfurt, zu sein.

Doch was hilft mir all das, wenn ich nicht von diesem verdammten Berg runter komme, weil ich da oben japsend nach Luft schnappend liege ohne etwas dagegen tun zu können?

Da ist Verzweiflung, da ist Hoffnungslosigkeit und da ist vor allem OHNMACHT! Das schlimmste was es für mich gibt ist ohnmächtig zu sein und das auszuhalten, bis ich wieder mächtig werde, im Sinne von aufstehen und den verdammten Berg runter klettern kann, um zu beginnen ein wertvolles Leben zu schaffen und ich weiß auch sehr gut, wie das aussehen soll.

Ich habe die beste Unterstützung dabei, die man sich nur wünschen kann, einen großartigen Psychotherapeuten, der ein nimmermüder Optimist ist und so ziemlich jede Therapie beherrscht, aber Wunder vollbringen kann keiner.

Keinem ist es gelungen, mich da oben runter zu holen und keine Therapie bzw. Behandlung konnte mir dabei helfen aufzustehen und runterzuklettern.

Zu diesem wertvollen Leben würde es auch gehören, noch so viel schöne Zeit mit meinen Eltern zu verbringen wie möglich, die immer zu mir stehen, die alles tun, damit es mir besser geht, die selbst sehr leiden, mich leiden zu sehen.

Mein Papa ist ein großer kuscheliger Teddybär, er ist jetzt 83, so alt wie mein geliebter Opa, der Vater meiner Mutter, der ebenfalls ein großer kuscheliger Teddybär war, ok, beide waren nicht größer als 1.70 umso mehr Kuschelmasse war da und ist da.

Ich habe meinen Opa beim sterben begleitet, ich habe zuvor noch nie einen Menschen sterben sehen, aber ich habe unseren geliebten Hund qualvoll sterben sehen, ich saß die ganze Nacht an seinem Körbchen und hielt ihm die Pfote, sprach mit ihm streichelte sein Fell. Das war herzzerreißend! Am nächsten Tag wurde er eingeschläfert.

Mein Opa hatte Alzheimer, aber als er auf seinem Sterbebett lag und ich seine Hand hielt, lächelte er kurz und sagte meinen Namen. Das war unbeschreiblich schön und so voller Liebe!

Dieser Verlust hat mich geprägt und 2011 hatte mein Papa einen leichten Schlaganfall, er war 3 Tage und 3 Nächte im Krankenhaus und ich wusste nicht, ob ich ihn je wiedersehen würde. Es war zum Glück nicht so schlimm.

Wenig später bekam ich sehr realistische Albträume vom Tod meines Vaters. Ich bekam wieder Panikattacken und ging erneut in die psychiatrische Tagesklinik, in der ich 2009 Fluoxetin mit 60 mg verordnet bekam wegen sozialer Ängste mit Panik ohne je über die Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt zu werden.

Dies mal bekam ich Tavor auf Bedarf. Es tat mir sehr gut, wieder dort zu sein, für das Team war ich so was wie ein wertgeschätzter Patient, weil ich mit meiner großen Erfahrung den Mitpatienten helfen konnte, andere Perspektiven einzunehmen, mitfühlend und freundlich mit sich zu sein, gerade weil sie so leiden, auch wenn ich mir selbst nur wenig helfen konnte.

Ich war 7 x in der Tagesklinik und oft war ich der Patientensprecher, weil ich mit jeder Behandlung in der Tagesklinik ein soziales Kompetenztraining bekam und somit Kritik sachlich und sozial kompetent zu äußern (was gar nichts hilft, wenn Dein Gegenüber keine Ahnung von sozialer Kompetenz hat). Ich lernte nein zu sagen und für meine Bedürfnisse zu sorgen. Schon früher hatte ich von einem der besten Psychogen gelernt mir die Umgebung so zu gestalten, dass ich mich möglichst wohl fühlte.

Mir ging es von Tag zu Tag besser, es tat gut wieder in einer Gruppe von Gleichgesinnten zu sein, ich habe in der Psychiatrie die wundervollsten und wertvollsten Menschen kennengelernt, meinen besten Freund und meine beste Freundin.

Dann kam ein Patient von der Station zu uns, er wollte nicht hier sein, er wollte mit aller Macht wieder auf die Station und als die Oberärztin ihm das verweigerte griff er zu einem Mittel, dass in sehr schnell wieder auf die Station brachte, er Schnitt sich die Pulsadern auf. Wir fanden ihn gerade noch rechtzeitig.

Ich war schockiert, ich hatte oft Suizidgedanken gehabt, aber gewusst, dass ich es nie tun würde, jetzt war ich mir da nicht mehr sicher, wo ich gesehen hatte, wie schnell das ging. Die Albträume fingen wieder an, mit einem Zusatz, mein Vater starb und ich beging Suizid indem ich mir die Pulsadern aufschnitt. Großartig! Alles für die Katz! Mein Timing war schon immer beschissen, musste das ausgerechnet jetzt passieren?

Ich landete dann irgendwann auf der Station, obwohl die leitende Psychologin der Tagesklinik versuchte mich davon abzuhalten und sagte, dort ginge es mir auch nicht besser, sie wusste wohl schon, was mich da erwarten würde. Ich aber hatte das erste Mal in meinem Leben konkrete Suizidabsichten und Angst, mir etwas anzutun.

Auf der Station nahm man mir das Tavor, dass ich in der Tagesklinik länger als 2 Wochen täglich einnahm einfach weg und setzte mich auf kalten Entzug, obwohl ich im Aufnahmegespräch sehr deutlich darauf hinwies, dass ich vermutlich schon abhängig wäre und das Tavor weiter gegeben werden muss.

Nach drei Tagen war sich dann auch die Oberärztin sicher, dass ich schon abhängig war, aber da war es schon zu spät, drei Tage kalter Entzug hatte zu unzähligen traumatischen Panikattacken und düsterste Albträume geführt, ich hatte Halluzinationen, starke Muskelkrämpfe, starke innere Unruhe, der ganze Körper kribbelte, mein Tinnitus war lauter, ich war schreckhaft, das Nervensystem maximal überdreht, wie wenn man an der Stereoanlage alle Regler des Equalizers auf Anschlag dreht, die Amygdala feuerte ununterbrochen.

Beim ersten Panikanfall drückte ich noch den Notfallknopf neben meinem Bett, dann kam eine Schwester, ich versuchte ihr klar zu machen, dass hier ein Behandlungsfehler vorläge und ich das Tavor wieder nehmen müsste. Die Antwort war jedes Mal »Wenden Sie ihre Ablenkungsstrategien an, da müssen sie jetzt mal durch« Das hörte sich so an, als ob es das leichteste der Welt wäre, was in Wahrheit die Hölle auf Erden war. Ich war in den drei Tagen gut 12 mal am Stationszimmer und wies nachdrücklich darauf hin, dass einen kalten Entzug von Tavor erlebe.

Den Notfallknopf zu drücken hatte ich mir schon am ersten Tag des kalten Entzuges abgewöhnt, nachdem eine Schwester sagte ich müssen nicht ständig auf den Notfallknopf drücken ich könne auch zum Stationszimmer kommen. jedes Mal die gleiche Prozedur, ich bat darum die Medikation zu überprüfen, in der Tagesklinik anzurufen, ich rief sogar selbst meine Therapeutin an und bat sie darum die Station anzurufen und mitzuteilen, das ich schon abhängig wäre.

Am 3. Tag waren dann alle überzeugt, dass ich schon abhängig war, aber wie gesagt, da war es zu spät, da hatte sich das Trauma schon ereignet!

Diese drei Tage habe ich in meiner Geschichte protokolliert.

Und da schließt sich der Kreis, da fing es an, da bekam ich die Medikamente, die ich seit dem versuche abzusetzen und wegen denen ich da oben liege und nach Luft schnappe wo kaum noch welche ist.

Aloha

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Veröffentlicht von

Mein Name ist Markus Hüfner. Ich bin Blogger, Webdesigner und Künstler. In diesem Blog schreibe ich über meine Erfahrungen mit der Heilkraft der buddhistischen Psychologie und dem richtigen Reduzieren und Absetzen von Psychopharmaka auf Stand der aktuellen Wissenschaft.