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Übung: Zentrierung bei Entzugssymptomen

Lesedauer: 4 Minuten

Die Zentrierung ist eine praktische Übung aus der ACT zur Unterscheidung zwischen dem, was ich tatsächlich mit meinen Sinnen (sehen, hören, riechen, schmecken, spüren) wahrnehme und dem Kommentar, den der Verstand in Form von Gedanken meist dazu abgibt. In dem ich den Unterschied bemerke, kann ich mich von unheilsamen Gedanken lösen, ich nehme wahr, dass es nur Gedanken sind, die mein Kopf mir erzählt. Sie eignet sich gut, um sich aus der Verschmelzung von psychischen Entzugssymptomen mit Gedanken und Gefühlen zu befreien.

Ein Beispiel: Alles um Mich herum verschwimmt, fühlt sich unwirklich an (Symptome einer »Derealisation«, ein typisches Entzugssymptom).

Kommentar des Verstandes: »Du wirst wahnsinnig! Du verlierst den Verstand!«

Das ist eine Erfahrung, die ich während meines ersten Benzodiazepin-Entzuges häufig gemacht habe, daher ist der Kommentar meines Verstandes zwangsläufig negativ. Er macht mich darauf aufmerksam, aber nicht, weil er mich ärgern will, sondern weil er mich schützen will. Die folgende Übungsanleitung ist von meinem Therapeuten, er hat sie aufgenommen, so kann ich sie mir anhören und mich im »Zentrieren« üben. Ich habe sie ein wenig gekürzt. Die Schritte werden einfach für alle Sinne wiederholt:

Ausführliches Zentrieren:

Machen Sie es sich bequem auf einem Stuhl oder in einem Sessel und achten Sie darauf, dass die Füße nebeneinander auf dem Boden stehen und ihre Hände ganz entspannt auf Ihren Oberschenkeln ruhen können.

Dann nehmen Sie sich einen Moment Zeit und bemerken, wie Ihre Füße jetzt auf dem Boden stehen und bemerken Sie den Unterschied zwischen der Empfindung in den Füßen, was Sie dort tatsächlich spüren und dem, was Ihr Kopf darüber erzählt, wie er es benennt, einordnet und bewertet. Und bemerken Sie auch, wer den Unterschied bemerkt.

Und dann bemerken Sie, was Ihre Hände jetzt gerade berühren und bemerken Sie auch hier den Unterschied zwischen der Empfindung in den Händen, was dort tatsächlich körperlich spürbar ist und dem, was der Kopf darüber erzählt. Und bemerken Sie auch, wer diesen Unterschied wahrnimmt zwischen der Empfindung und den Gedanken über diese Empfindung.

Und dann bemerken Sie, was Sie jetzt gerade hören und bemerken Sie auch hier den Unterschied zwischen dem Klang an sich, der Tonhöhe, Lautstärke, Rhythmus usw. und dem was Ihr Kopf darüber erzählt, welche Gedanken hierzu kommen. Bemerken Sie auch, wer diesen Unterschied wahrnimmt.

Und dann bemerken Sie, was für Gedanken Ihr Kopf Ihnen jetzt gerade gibt und bemerken Sie: sind das Worte, Bilder, Filme, Geräusche oder Töne? Und bemerken Sie auch, wer das wahrnimmt, was für eine Art von Gedanke das ist?

Und dann bemerken Sie, was Sie jetzt gerade sehen und bemerken Sie den Unterschied zwischen dem, was Sie tatsächlich physisch mit den Augen sehen und dem, was Ihr Kopf Ihnen dazu für Gedanken gibt oder innere Bilder und bemerken Sie auch, wer diesen Unterschied zwischen den Gedanken und dem tatsächlichen Sehen wahrnimmt?

(Diese Schritte wiederholen für Riechen und Schmecken)

Und dann bemerken Sie, wie Sie sich jetzt gerade fühlen, und bemerken Sie, wo besonders Sie im Körper das spüren, d. h. , welche Empfindung in diesem Moment im Körper besonders stark ist und wo diese im Körper sitzt? Und bemerken Sie den Unterschied zwischen der Empfindung im Köper und dem was der Kopf darüber erzählt, wie er das einschätzt, wie er das bewertet, wie er das vielleicht einfach nur benennt.

Und bemerken Sie: Da ist eine Empfindung und da sind die Gedanken und hier sind Sie und beobachten die Gedanken und Empfindungen.

Und dann bemerken Sie, da ist diese Seite in Ihnen, dieses Ich, das all das, was Sie sehen, hören, fühlen, spüren, riechen, schmecken, denken und tun einfach wahrnehmen kann, registrieren kann. Diese Seite in Ihnen, die bemerkt, da ist ein Gedanke oder da ist ein Gefühl, da ist eine Empfindung im Körper.

Und wenn ich auf meine Gedanken und auf meine Empfindungen schauen kann, dann kann ich nicht meine Empfindungen, Gedanken und Gefühle sein.

Die Gedanken und Gefühle kommen und gehen und das Ich, das sie beobachtet, das bleibt. Dieses Ich, das ist wie ein sicherer Hafen von dem aus ich meine Gedanken, Gefühle, ja mein ganzes Erleben einfach beobachten kann, ohne mit ihm verstrickt zu sein und fortgerissen zu werden. Wo ich aus einer ganz sicheren Perspektive darauf schauen kann, was in mir vorgeht.

Es ist ein wenig so, als wäre das Ich wie der Himmel und meine Gedanken, Gefühle und das ganze Erleben wie das Wetter, das sich im Himmel abspielt. Das Wetter verändert sich die ganze Zeit, aber der Himmel der bleibt gleich und egal welches Wetter im Himmel ist, es kann ihn niemals angreifen. So kann ich aus der Perspektive von diesem Ich auf mein Erleben schauen und egal was für ein Erleben es ist, es einfach beobachten und zusehen, das es wie das Wetter kommt und irgendwann wieder geht.

Und dabei wissen, das ich immer mehr bin als das, was ich fühle oder denke.

Und dann bemerken Sie wieder, wie Sie dasitzen und bemerken Sie, da ist eine Welt außen herum. Nach und nach öffnen Sie wieder die Augen und nehmen Kontakt mit der Welt außen herum auf. Dann recken und strecken Sie sich, so wie es Ihnen jetzt gerade gut tut.

Quelle: Gideon Franck: Schritt ins Leben: Das ACT Peer Programm

Hier kannst Du Dir die Übung auf Youtube ansehen, leicht verändert:

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=RxVHkTpUB6o | Sprache: Deutsch | Länge: 7:52 Minuten.

Siehe auch Denkendes Ich und Beobachtendes Ich »

Aloha

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Veröffentlicht von

Mein Name ist Markus Hüfner. Ich bin Blogger, Webdesigner und Künstler. In diesem Blog schreibe ich über meine Erfahrungen mit der Heilkraft der buddhistischen Psychologie und dem richtigen Reduzieren und Absetzen von Psychopharmaka auf Stand der aktuellen Wissenschaft.