Verbunden Sein

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Verbunden Sein

Donnerstag, 10. März 2011
Medikation: 60 mg Paroxetin | 30 mg Mirtazapin | 0-0-0-1 mg Tavor 1

Ein wichtiger Bestandteil der Therapie in der Tagesklinik sind Wochenziele. Zu Beginn der Woche setzt sich jeder Patient mindestens ein Wochenziel und am Ende der Woche wird in der Gruppe darüber berichtet, ob man sein Ziel erreicht hat oder nicht. Mein erstes Wochenziel war meine Kontroll- und Vermeidungsstrategien zu erkennen und von wertgeleitetem Verhalten zu unterscheiden.4

© Markus Hüfner, März 2011 | »Sonnenaufgang in Afrika« | zum Vergrößern auf das Bild klicken

© Markus Hüfner, März 2011 | »Sonnenaufgang in Afrika« | zum Vergrößern auf das Bild klicken

Das ist eine weitere Übung aus dem Buch »Wer dem Glück hinterherrennt, läuft daran vorbei – ein Umdenkbuch« von Russ Harris. Schon eine ganze zeit lang führte ich ein »Positiv-Tagebuch«, in dem ich alles festhielt, was ich Positives tat und erlebte. Das hatte mir meine ambulante Psychotherapeutin empfohlen, um mir das Positive in meinem Leben bewusster zu machen.

Nun fing ich damit an, zu den Eintragungen die Werte zu notieren, die ich damit verband. Dadurch wurde mir zum ersten Mal richtig bewusst, welche Werte ich überhaupt habe. Ich empfand wieder mehr Freude an dem, was ich tat, weil mir viel bewusster war, warum ich es tat.

Es ist ein großer Unterschied, ob man etwas einfach tut oder, ob man sich bewusst ist warum man etwas tut und nach den eigenen Werten handelt.

Tagebuch:

Kaffee trinken mit einigen Mitpatienten. Eine sehr leckere Schokolade getrunken. Dort hingen Bilder von Künstlern zum Verkauf und alle waren der Meinung, dass ich meine Bilder auch verkaufen könnte. Das hat mich sehr gefreut und stolz gemacht.

Werte: Freude, Unterhaltung, Genuss, Selbstbestätigung, Freundschaft, Kreativität.

Gedanken kommen und gehen lassen, so wie der Atem kommt und geht.

11.–15. März 2011
Medikation: 60 mg Paroxetin | 30 mg Mirtazapin

In der zweiten Woche probierte ich einige Entschärfungstechniken. Dazu gibt es eine einfache Übung im Buch, »Zehn tiefe Atemzüge«.5 Diese Übung dient dazu die Gedanken kommen und gehen zu lassen, so wie Züge an einem Bahnhof, die kommen und gehen. Dazu konzentriert man sich auf den Atem, denn das Atmen ist etwas, das von selbst geschieht, wir müssen nichts tun. Der Atem kommt und geht. Während dieser Atemübung war die Aufgabe alle Gedanken und Bilder kurz wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten und sie von allein vorüberziehen zu lassen. Immer wieder kamen Gedanken, die mich davon trugen, mit denen ich verschmolz, die mich an den Haken nahmen. Es ist praktisch unmöglich, dass dies nicht geschieht, die Kunst besteht darin, achtsam wahrzunehmen, dass es geschieht und dann immer wieder zum Atem zurück zu kehren.

Es ist wohl kein Zufall, dass in diesen zwei Wochen einige meiner schönsten Bilder in der Ergotherapie entstanden sind. Vor allem die Afrikamotive, obwohl ich nie in Afrika war und auch keine besondere Verbindung zu Afrika habe.

Das lag zum einen daran, dass ich mich zunächst wie befreit von diesen schrecklichen Albträumen fühlte. Ebenso wichtig war aber auch der Prozess des Umdenkens, der begonnen hatte.

Malen als Therapie gegen die hohen Ansprüche an mich selbst und den verdammten Perfektionismus.

Wann immer ich ein Bild male, bekomme ich viel Lob von anderen Menschen dafür. Viele glauben, dass mir das einfach so in den Schoß gefallen sei, ich Talent dafür hätte und sie selbst nie dazu in der Lage wären. Dem möchte ich widersprechen. Ohne Zweifel gehört ein gewisses Talent dazu, kreativ tätig zu sein. Es ist aber nicht so, dass ich von Anfang an solch schöne Bilder malen konnte. Ich musste mir dieses Talent hart erarbeiten. Es hat sehr lange gedauert und war mit viel Frust, Ärger und Enttäuschungen verbunden. Mehrmals wollte ich aufgeben, weil die Ergebnisse nicht meinen Vorstellungen entsprachen.

Ich hatte damit im Vorjahr, bei meinem ersten Aufenthalt in der Tagesklinik begonnen. Wir hatten da zwei sehr begabte Künstler, die wunderschöne Bilder mit Acryl gemalt haben. Ich verglich mich ständig mit den beiden, die so toll malen konnten während meine Bilder eher wie die eines kleinen Kindes aussahen, das zum ersten Mal malte.

Meine Anfänge und Fortschritte sind sehr schön in meiner Bildergalerie zu sehen. Die ersten Bilder sind hier gar nicht zu sehen, da sie so furchtbar waren, dass ich sie zeriss oder gar nicht mit nach Hause nahm. Das erste Bild nach einer Vorlage ist das Bild »Sonnenuntergang«.

© Markus Hüfner, Dezember 2009 | »Sundown« | zum Vergrößern auf das Bild klicken

© Markus Hüfner, Dezember 2009 | »Sundown« | zum Vergrößern auf das Bild klicken

Ich hatte die Ergotherapie immer gehasst, weil ich dort etwas mit meinen Händen machen musste und andere noch dabei zuschauten. Durch meine sozialen Ängste fühlte ich mich dabei besonders in den Mittelpunkt gestellt, beobachtet und bewertet. Versagensängste kamen auf und ich fühlte mich extrem unwohl beim Malen.

Meine Ergotherapeutin hatte mir die Pastellkreide empfohlen, weil sie der Ansicht war, dass mir das dabei helfen könnte, besser mit meinem Perfektionismus und den hohen Ansprüchen an mich selbst umzugehen.

Es ist gar nicht möglich mit der Pastellkreide so exakt zu arbeiten wie z. B. mit Acryl, denn die Kreide wird mit den Fingern verwischt, womit man unglaublich tolle Farbverläufe und -übergange erzeugen kann. Man hat aber keinen exakten Einfluss darauf. Je nachdem ob man leichter oder fester wischt, schneller oder langsamer, mit größeren Bewegungen oder kleineren, entstehen unterschiedliche Farbtöne und Verläufe.

Ich bin meiner Ergotherapeutin sehr dankbar, dass sie mir dieses Material empfohlen hat. Es hat mir wirklich dabei geholfen mit meinem Perfektionismus besser klarzukommen und ich kann mich heute viel eher auf Neues und Unbekanntes einlassen. Sie schlug sogar vor, dass ich einen Workshop machen sollte, um den Mitpatienten das Malen mit der Pastellkreide zu zeigen. Nach längerem Überreden stimmte ich schließlich zu. Leider sollte es niemals dazu kommen, denn die Albträume kehrten plötzlich stärker und schlimmer denn je zurück.

Tagebuch:

Ergotherapie: Bild gemalen und wieder viel Lob dafür bekommen. Jetzt soll ich einen Workshop anbieten für Patienten, die es gerne lernen möchten. Ich habe nach Überzeugung durch die Ergotherapeutin zugestimmt.

Werte: Kreativität, Selbstbestätigung, Freude.

Donnerstag, 16. März 2011
Medikation: 60 mg Paroxetin | 150 mg Quetiapin 1

Wegen der depressiven Symptomatik, zur Minderung der Grübelneigung sowie zur Verbesserung der Schlafstörungen und gegen die Albträume (so wird es im Abschlussbericht begründet) wurde mir Quetiapin (Seroquel prolong) verordnet, ein sogenanntes atypisches »Neuroleptikum«, das zur Behandlung von Schizophrenie und bipolaren Störungen eingesetzt wird. Es erfolgte wieder keine Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen dieser Medikamente, obwohl Ärzte bei Verschreibung von Medikamenten dazu verpflichtet sind. Das gilt auch dann, wenn mögliche Risiken und Nebenwirkungen bereits im Beipackzettel erwähnt werden. Dies hat der BGH (Bundesgerichtshof) in einem Urteil (Az. VI ZR 289/03) so entschieden. Mirtazapin wurde abrupt abgesetzt, statt es langsam zu reduzieren. Ich fühlte mich nicht gut dabei und teilte meine Besorgnis auch mit. Eine Medikamentenumstellung ist stets heikel und sollte nur langsam erfolgen. Quetiapin mit 150 mg anzusetzen ist nicht empfehlenswert. Ich frage mich, wie vielen Psychiatern bewusst ist, was sie ihren Patienten da antun. Ich fühlte mich wie eine Laborratte.

Fussnoten:
1. Paroxetin: SSRI-Antidepressivum, Mirtazapin: Tetrazyklisches Antidepressivum (älteres Antidepressivum), Quetiapin (Seroquel Prolong): Atypisches Neuroleptikum, Tavor (Lorazepam): Benzodiazepin

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