Vorwort

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Vorwort

Shit happens! Mal bist du Taube, mal bist du Denkmal.Eckart von Hirschhausen

Stellen Sie sich vor, Ihr Leben gerät plötzlich aus den Fugen, nichts geht mehr, Sie sind verzweifelt, ein dunkler Schatten legt sich über alles und saugt Ihnen Ihre Lebensfreude aus. Sie haben furchterregende Albträume und Panikattacken, die nicht mehr aufhören, denken immer öfter darüber nach, sich das Leben zu nehmen. Sie suchen in Ihrer Verzweiflung professionelle Hilfe, hoffen, dass man Ihnen überhaupt helfen kann, aus diesem tiefen Abgrund, in den Sie blicken, wieder herauszukommen. Sie wünschen sich, dass man zumindest Ihren Schmerz und Ihr Leid sieht und anerkennt, Ihnen mit Mitgefühl und Verständnis begegnet.

Und dann geschieht das genaue Gegenteil.

Die folgende Geschichte ist wahr. Ich habe Sie so erlebt. Sie ist ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn Sie Pech haben und in einer schlechten Psychiatrie landen. In einer Psychiatrie, in der der Patient der Willkür von Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften ausgeliefert ist und im Grunde genommen entmündigt ist.

Das scheint besonders für Patienten zu gelten, die sich dieser Willkür nicht aussetzen wollen. Patienten die Wünsche und Bedürfnisse äußern, die über ihre Behandlung aufgeklärt werden möchten. Patienten, die die Gabe von Psychopharmaka kritisch sehen oder gar ablehnen.

Auf den folgenden Seiten habe ich meine traumatischen Erlebnisse während eines fehlerhaften Entzuges von Benzodiazepinen in einer solchen Psychiatrie dokumentiert. Grundlage waren meine persönlichen Tagebuchaufzeichnungen und das Behandlungsprotokoll der Psychiatrie, die ich gegenübergestellt habe. Das Ergebnis ist mal komisch, mal tragisch, mal absurd, mal schockierend. Vor allem aber macht es deutlich, wie es zu vermeidbaren Missverständnissen und sogar schweren Behandlungsfehlern kommen kann, wenn Patienten über vieles bzgl. ihrer Behandlung im Unklaren gelassen werden, statt sie ausführlich darüber aufzuklären.

Gerade die Leichtfertigkeit, mit der heutzutage Psychopharmaka gegeben und verschrieben werden, ist verantwortungslos.

Es werden zum Teil Medikamente verschrieben, die nicht notwendig sind. Es werden gleich mehrere Psychopharmaka gleichzeitig gegeben, oft mit der gleichen Wirkung (mir wurden gleich zwei »Neuroleptika« gleichzeitig verschrieben, nach dem Motto »viel hilft viel«) ohne auf Wechselwirkungen hinzuweisen (als Nachweis habe ich meine tägliche Medikation im Tagebuch dokumentiert).

Der Patient gerät so schnell in eine Abhängigkeit von Psychopharmaka und der Psychiatrie an sich, denn teure Therapie wird in Kliniken oft durch billige Medikamente ersetzt. Medikamente allein können keine Therapie ersetzen und eine ambulante Psychotherapie zu bekommen ist schwierig und langwierig. Die nächste Krise ist so praktisch schon vorprogrammiert. Den Betroffenen bleibt nichts anderes übrig, als erneut in die Psychiatrie zu gehen. Dort beginnt dann das Ganze von vorn.

So geraten Viele unfreiwillig in ein System, aus dem ein Ausstieg nur schwer möglich ist, wenn überhaupt. Man nennt das die »Psychiatrie-Drehtür«.

Verschreiben Ärzte Medikamente, müssen sie auf Risiken und Nebenwirkungen hinweisen. Diese Pflicht haben sie auch, wenn bereits der Beipackzettel des Präparats vor den Risiken warnt. Dies hat der BGH (Bundesgerichtshof) in einem Urteil (Az. VI ZR 289/03) entschieden.

Zum anderen zeigt diese Geschichte, dass die Kommunikation zwischen Ärzten, Therapeuten und Pflegekräften oftmals mangelhaft bzw. gestört ist. Der Eine weiß oft nicht, was der Andere tut. Der Leidtragende ist der Patient.

Gerade psychisch Kranke können oft nicht Ihre Wünsche und Bedürfnisse äußern. Sie trauen sich nicht Kritik zu äußern, wenn ihnen etwas nicht gut tut oder sie etwas nicht für richtig halten.

Das muss nicht so sein. Es gibt auch Kliniken, in denen das anders ist, die ein Leitbild haben, die sich dem Wohl des Patienten verpflichtet fühlen und ihm mit Verständnis und Mitgefühl begegnen. Ich würde mir wünschen, es gäbe ein solches Leitbild verpflichtend für alle Psychiatrien. Ich würde mir wünschen, das Personal einer Psychiatrie würde sich öfters in die Lage eines Patienten versetzen, der in größter Verzweiflung in die Klinik kommt und hofft, dass man ihm helfen wird. Ich würde mir wünschen, das Personal würde sich öfters fragen:

»Wie möchte ich behandelt werden, wenn ich mich in einer tiefen Lebenskrise befände?«

»Was würde ich mir wünschen?«

Sicher würde sich jeder wünschen, dass sein Schmerz gesehen und anerkannt wird und dass, das Personal Verständnis, Respekt, Geduld und Mitgefühl zeigt. Diese Werte sind schließlich Grundvoraussetzung dafür, dass der Patient sich mitteilt, über seine Probleme spricht und sich damit auseinandersetzt. Nur so kann eine nachhaltige Genesung gelingen.

Ein positives Beispiel: In der psychosomatischen Tagesklinik des »Zentrums für Seelische Gesundheit Berlin« beginnt jeder Tag mit einer Achtsamkeitsmeditation. Der Leiter der Einrichtung Prof. Dr. med. Götz Mundle sagt in einem Interview mit der Zeitschrift »Buddhismus aktuell«:

Der Kerngedanke hinter dieser Einrichtung ist, Achtsamkeit und Psychotherapie so zu verbinden, dass dies auch gelebte Wirklichkeit wird, und zwar für Patienten wie für Therapeuten. Wir beginnen den Tag deshalb gemeinsam mit einer Meditationsübung. Im Sitzen, in der Meditation, in der Achtsamkeit, sind wir alle Menschen, die wahrnehmen, die in Kontakt sind – das klingt sehr einfach, ist es aber nicht. Es ist eine Ebene, die uns alle verbindet. Wir finden uns in der Verbundenheit einer Gruppe wieder.

Ein Beispiel, das, Schule machen sollte, zum Wohle von Patienten, Therapeuten, Ärzten und Pflegekräften.

Zum Schluss möchte ich noch ein Mal betonen, dass ein Entzug nicht so laufen muss, wir sind alle Individuen, bei manch einem gibt es vielleicht gar keine Entzugssymptome, bei anderen nur leichte und bei manchen starke. Das alles hängt von so vielen Faktoren ab, deshalb kann man meine Entzugsgeschichte gewiss nicht auf einen Benzodiazepinentzug allgemein übertragen.

Eines ist aber sicher: Es könnte viel mehr getan werden, um Behandlungsfehler zu vermeiden. Dafür bräuchte es verbindliche Richtlinien und Fortbildung von Klinikpersonal. Fakt ist, auch heute werden noch ein Drittel aller Benzodiazepin-Entzüge falsch gemacht.1

Hinweis: Für ein möglichst ablenkungsfreies Lesen, habe ich einige Bereiche der Website ausgeblendet. Außerdem habe ich meine Geschichte mit meinen Pastellbildern illustriert, die in dieser Zeit entstanden sind. Zu jedem Datum habe ich auch die Medikation angegeben, d. h. die Psychopharmaka, die ich zu diesem Zeitpunkt eingenommen habe.

Jetzt wünsche ich Ihnen gute Unterhaltung.

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