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Der erste Entzug
01.–10. Mai 2011
(0-0-0-0 mg Tavor)
Dieses Gefühl von Panik und Beklemmung lies mich auch in den nächsten Wochen nicht los. Ganz im Gegenteil, es nahm sogar noch mal stark zu! Trotzdem war ich noch nicht besonders beunruhigt, da ich in einem Fachbuch gelesen hatte, dass dies durch aus normal sei und ein Zeichen dafür, dass der Entzug bald vorbei sei. Doch wie anders erging es mir. Der Entzug sollte erst so richtig beginnen!
Tagebuch:
Entzugssymptome haben noch einmal zugenommen, was gegen Ende der ersten Woche normal sein soll, ich hoffe, es wird dann bis Ende der Woche besser.
Werte: Mut, Zuversicht, Bereitwilligkeit.
02. Mai 2011
(0-0-0-0 mg Tavor)
Nach sieben Tagen zu Hause machten die Entzugssymptome immer noch keine Anstalten zu verschwinden. Um nicht vollends durch zudrehen, lenkte ich mich mit PC Spielen ab. Das sollte sich später als großer Fehler erweisen, aber ich wusste mir damals nicht anders zu helfen. Währenddessen recherchierte ich intensiv im Internet nach einem ACT-Therapeuten. Leider gab es nur gut eine Handvoll in meiner näheren Umgebung, einen in Süd-Hessen, eine in Aschaffenburg, einen in Frankfurt, noch einer im Hunsrück und schließlich einen in Fulda. Davon arbeiteten vier nur auf Privatbasis, wurden also nicht von der Krankenkasse übernommen. Ausgerechnet die beiden in Frankfurt und Fulda, die aufgrund der Entfernung am ehesten in Frage kamen, gehörten dazu, war ja klar.
09. Mai 2011
(0-0-0-0 mg Tavor)
Auch nach gut zehn Tagen änderte sich an den Entzugssymptomen nichts. Beim nächsten Termin mit meiner Fachärztin machte mir diese Mut, weiter durchzuhalten, es könne nicht mehr lange dauern, bis der Entzug vorbei sei. Gegen die Entzugssymptome verschrieb Sie mir Valproinsäure. Nachdem ich wieder zu Hause war, informierte ich mich über mögliche Nebenwirkungen des Medikaments.
Nebenwirkungen:
Häufige Nebenwirkungen sind Juckreiz und Hautausschläge, Kopfschmerzen, Schwindel, Bewegungsunsicherheit und Sehstörungen, Appetitlosigkeit oder -steigerung, Gewichtsverlust oder -steigerung, Benommenheit, Zittern (Nystagmus, Tremor), vorübergehender Haarausfall, Missempfindungen und Sensibilitätsstörungen sowie Blutbildveränderungen und Blutgerinnungsstörungen.
Selten bis gelegentlich treten Verhaltensstörungen (Aggressivität oder Reglosigkeit), Blutungen, Magen-Darm-Beschwerden (Übelkeit, Erbrechen, Durchfall), Verdauungsstörungen, erhöhter Speichelfluss oder Blutinsulinkonzentration, Wassereinlagerungen, Ohrgeräusche (Tinnitus), Wahnvorstellungen, Einnässen, Monatsblutungsstörungen und vorübergehende Gehirnschädigungen auf.
Mir war schnell klar, dass das nicht in Frage kam, Nebenwirkungen hatte ich schon genug. Außerdem, wie hätte ich denn merken sollen, ob die Entzugssymptome nachlassen? Nachher ist der Entzug vorbei und ich merke nichts, wegen der Nebenwirkungssymptome der Valproinsäure. Ich entschloss mich kein weiteres Medikament zu nehmen, das irgendetwas in meinem Hirn macht, von dem keiner genau weiß, was. Danach setzte ich mich auf mein Mountainbike und fuhr gut 25 km. Wieder zu Hause angekommen war ich trotz Dauerpanik, Beklemmung, ständiger Gänsehaut und Dauerkribbeln in Armen und Händen noch immer zuversichtlich dieser Horror würde bald Enden. Weit gefehlt!
Tagebuch:
Termin Fachärztin, gutes Gespräch, hat mir Valproinsäure gegen die Entzugssymptome verschrieben. (Gesundheit). Danach Mittagessen im Bistro: frischer Spargel, lecker!!! (Genuss)
25 km mit dem Mountainbike gefahren, unterwegs angehalten auf eine Bank gesetzt und eine Achtsamkeitsübung gemacht (Gesundheit, Fitness, Achtsamkeit).
Ich war ein Vulkan, der ausbrechen wollte, aber nicht konnte, weil er verschlossen war!
10. Mai–29. Juni 2011
(0-0-0-0 mg Tavor)
Was ich in den folgenden 4 Wochen erlebte, fühlte sich an, als ob die Zombieapokalypse stattfinden würde und ich wäre der einzige Teilnehmer (so hat der Poetry Slamer Torsten Sträter seine Depressionen beschrieben). Ich schaffte es nicht mal, mein Tagebuch weiterzuführen. Bis zum 06.06.2011 gab es keinen einzigen Eintrag. Ich lenkte mich durch exzessives PC-Spielen ab. Leider verstärkte das die Entzugssymptome sogar noch, auch wenn ich das damals nicht wahrhaben wollte.
Vor allem aber wurde ich zunehmend depressiver, sodass ich an manchen Tagen stundenlang in meinem Sessel saß und die Wand anstarrte, völlig gelähmt. Von Außen betrachtet wirkte ich ruhig, ja beinahe stoisch. Währenddessen brodelte in mir ein Vulkan, der kurz vor dem Ausbruch stand. In meinem Inneren fühlte es sich an, als ob heißes Magma aufstieg und gegen den Brustkorb drückte. Äußerlich lasteten der Druck und die Beklemmung tonnenschwer auf meinem Oberkörper. Jeder Atemzug fühlte sich an, als ob er meinen Brustkorb sprengen würde. Ich war ein Vulkan, der ausbrechen wollte, aber nicht konnte, weil er verschlossen war! So breitete sich das zäh fließende Magma immer weiter im Körper aus, als ob ich innerlich brennen würde.
Der Wunsch eine Tavor zu nehmen, drängte sich immer stärker auf. Es war beinahe wie ein Fluch, immer wenn ich dachte, schlimmer geht es nicht, wurde ich eines Besseren belehrt. Als ich es gar nicht mehr aushielt, machte ich einen neuen Termin bei meiner Fachärztin, um mit ihr über eine erneute Aufnahme in die Tagesklinik zu sprechen.
06. Juni 2011
(0-0-0-0 mg Tavor)
Tagebuch:
Termin mit Fachärztin, gutes Gespräch, Seroquel wird reduziert, da es sein kann, dass es die Depression verstärkt. Aufnahmetermin für Tagesklinik 30.06.11 (Gesundheit, Entschlossenheit, Bereitwilligkeit). An meiner Website gearbeitet (Kreativität, Selbstwirksamkeit, Freude, Beitrag).