Schon wieder Tagesklinik

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Schon wieder Tagesklinik

» Der Langsamste, der sein Ziel nur nicht aus den Augen verliert, geht immer noch geschwinder als der, der ohne Ziel herumirrt. «GOTTHOLD EPHRAIM LESSING

30. Juni –13. Juli 2011

Zum vierten Mal innerhalb von knapp zwei Jahren ging ich wieder in die Tagesklinik. Mittlerweile war es mir auch egal, was Andere darüber dachten. Das war nicht immer so. Beim zweiten Mal und auch beim dritten Mal kam ich mir ziemlich blöd vor, schon wieder da zu sein, vor allem, weil es so kurz nacheinander war. Ich fragte mich, was wohl Ärzte, Therapeuten und Pfleger über mich dachten? Gedanken wie

»Der ist schon wieder hier, hat er denn nichts daraus gelernt, was wir ihm beigebracht haben?« oder

»Ein hoffnungsloser Fall, dem ist nicht mehr zu helfen!«

Ich hatte bei meinem letzten Aufenthalt während eines Spaziergangs tatsächlich einen Pfleger darauf angesprochen. Er konnte mich beruhigen und sagte:

»Herr Hüfner, Sie sind ein intelligenter Mensch und wenn Sie Ihre Probleme mit Ihrem Verstand lösen könnten, dann hätten Sie das mit Sicherheit längst getan. Das braucht einfach Zeit und mehrere Behandlungen sind nicht ungewöhnlich, sie sind eher die Regel.«

Tatsächlich ist das so und das ist wohl auch unserem immer schlechter werdenden Gesundheitssystem geschuldet. Das kann ich allein an den immer kürzer werdenden Aufenthalten festmachen. War ich bei meinem ersten Aufenthalt noch 3 Monate in Behandlung, waren es beim zweiten nur noch 2 und beim dritten nur noch einer. Außerdem wurden viele der Therapien von 1 Stunde auf 45 min. gekürzt, wegen Personalmangels.

Im Aufnahmegespräch mit meiner Psychologin, die mich inzwischen ja recht gut kannte, teilte ich ihr mit, dass ich unsicher sei, wie ich das hier dieses Mal angehen sollte. Ich hatte für Anfang September einen Aufnahmetermin für eine stationäre Rehabilitation, die ich schon vor dem Entzug beantragt hatte.

»Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich hatte eine Reha beantragt und die Aufnahme ist Anfang September. Eigentlich wollte ich dort dann das Problem mit der Angst vor dem Tod meiner Eltern angehen, da ich dort in einem geschützten Rahmen wäre und vor allem aus der Situation raus, ich hätte den dringend notwendigen Abstand von zu Hause dafür. Deshalb bin ich mir unsicher, ob wir da jetzt hier dran arbeiten sollten?«

»Das kann ich gut verstehen, seien Sie doch einfach erst mal hier, kommen Sie an und nehmen Sie an den Therapien teil, mehr müssen wir gar nicht tun. Ich halte es für eine gute Idee, diese Problematik mit Abstand von zu Hause anzugehen.«

»In Ordnung.«

»Wenn Sie ein Einzelgespräch brauchen, dann melden Sie sich bei mir.«

Ich bedankte mich und war ziemlich erleichtert.

Das Kopfkino zeigte auch mal andere Filme, als die ewigen Horrorstreifen

04. Juli 2011

Es dauerte nicht lange und schon ging es mir erheblich besser, ich hatte zwar immer noch starke Entzugssymptome, vor allem körperlich, die Panikanfälle und der Druck im Brustkorb waren aber kaum noch zu spüren. Das Kopfkino zeigte auch mal andere Filme, als die ewigen Horrorstreifen vom Ableben meiner Eltern und meinem Suizid.

Das erste Mal seit dem traumatischen Entzug in der Psychiatrie hatte ich wieder so etwas wie Hoffnung und Zuversicht, dass ich das doch überleben könnte. In der Ergotherapie malte ich wieder Bilder und wie jedes Mal waren die Mitpatienten begeistert von dem Ergebnis. Das tat mir gut. Als Wochenziel hatte ich mir vorgenommen mein Tage- und Wertebuch wieder zu führen, um mir bewusst zu machen, warum ich den Entzug schaffen wollte:

Mir und meinem Körper keinen weiteren Schaden durch Psychopharmaka zuzufügen und dabei achtsam und mitfühlend mit mir zu sein.

Mittlerweile nahm ich neben dem Paroxetin (seit 2009), einem Antidepressivum auch noch Promethazin, ein Neuroleptikum als Ersatz für Seroquel, das ich vorher erhalten hatte. Ich hatte mich schon früher gegen Psychopharmaka gewehrt und das aus gutem Grund. Der Umgang mit Psychopharmaka ist oft leichtfertig und gerne werden sie von der Pharmaindustrie als Wundermittel gegen alles massiv beworben.

Was, wenn irgendeines dieser Psychopharmaka die Entzugssymptome oder die Depression aufrechterhielt? Für mich stand fest, nach und nach alles abzusetzen und auch nichts anderes mehr zu nehmen. Insbesondere, was das Antidepressivum angeht, sollte sich das später als nahezu unmöglich erweisen.

Tagebuch:

Wochenziel: Tage- und Wertebuch führen, um mir bewusst zu machen, warum ich diesen Entzug gemacht habe, regelmäßige Achtsamkeitsübungen, Radfahren (Bereitwilligkeit, Achtsamkeit, Gesundheit, Mut, Entschlossenheit) Ergo: Bild gemalen, seit 2 Monaten wieder mal und es kommt immer noch einfach so (Freude, Kreativität, Begeisterung, Erfolg).

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